
Vechta. Die hochpathogene aviäre Influenza (HPAI) ist für Geflügel eine tödliche Virus-Erkrankung. Das gilt für Zug- und Wildvögel und für Nutz- und Hobby-Geflügel gleichermaßen. Auch Säugetiere, die befallene Vögel fressen, können sich infizieren und zur Verbreitung des Virus beitragen.
Diesen komplexen Geflügelpest-Problemkreis müssen die Landesregierung, die Veterinärbehörden, das auf Bundesebene zuständige Friedrich-Loeffler-Institut und natürlich alle Geflügelhalter im Fokus haben.
„Besondere Betroffenheiten gibt es bei den Geflügelhaltern in Niedersachsen“, so der Vorsitzende des Landesverbandes der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft (NGW) Staatssekretär a.D. Friedrich-Otto Ripke. „Der Geflügelbestand in Niedersachsen umfasst 106 Mio. Tiere. Das sind rund 62 % des Bestands in Deutschland. Daraus erwächst eine besonders hohe Verantwortung für das Überleben möglichst vieler Tiere und ebenso für die Versorgung der Bevölkerung mit Geflügelfleisch und Eiern“, betont Ripke.
Infolge der vergangenen HPAI-Seuchenzüge haben alle Beteiligten dazugelernt. Das trifft für Veterinärbehörden und Tierhalter gleichermaßen zu und im schnellen und konsequenten Vorgehen in Befallsbetrieben gibt es gegenseitiges Vertrauen und eingeübte Abläufe. Die Geflügelwirtschaft hält zusammen mit dem Landvolk und der Tierseuchenkasse Niedersachsen millionenschweres Equipment und Personal in ihrer Vorsorgegesellschaft GESEVO-GSV ganzjährig vor. Die Tierhalter haben konsequent in eine bessere Biosicherheit investiert und ihre Ställe und Strohlager gegenüber Viruseintrag durch Wildvögel, Säugetiere oder Menschen optimiert. International und EU-weit ist der niedersächsische Biosicherheits-Standard vorbildlich.
„Und dennoch lassen sich Ausbrüche nicht vollständig verhindern!“, stellt Ripke faktisch mit Bedauern fest. Mit Sorge sieht er den aktuellen Seuchenverlauf. Er beginnt im Jahreszeitenverlauf relativ früh und die Ausbreitung erfolgt schnell und großflächig und nicht nur an der Küste oder Gewässern, wo die Wildvogeldichte und damit das Infektionsrisiko besonders hoch sind. Seit dem 1. Oktober 2025 gibt es in nur 3 Wochen 16 vom FLI bestätigte H5N1-HPAI-Ausbrüche in Nutzgeflügelbeständen. 241.000 Tiere mussten zwecks Unterbindung weiterer Ausbreitung von den Befallsbetrieben aus nach behördlicher Anordnung getötet und entsorgt werden. Betroffen sind die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, 2x Thüringen, 2x Schleswig-Holstein, Bayern, 2x Brandenburg, 3x Mecklenburg-Vorpommern und 3x Niedersachsen.
„In nur 3 Wochen in 7 Bundesländern, das gibt schon Anlass zu großer Sorge“, so Ripke. Das FLI hat das HPAI-Risiko deshalb in der vergangenen Woche als hoch eingestuft. In den Niederlanden gilt seit dem 16. Oktober 2025 bereits eine behördlich angeordnete Aufstallpflicht. Ripke hält diese für begründet und notwendig, weil anders als in der Vergangenheit, in der überproportional viele HPAI-Ausbrüche in Putenbeständen die Regel waren, heute die Legehennen am stärksten betroffen sind. Ursache war seinerzeit bei den Puten die nicht hermetisch abgeschlossene Stallhülle, die keine optimale Biosicherheit geboten hat. Bei den Legehennen sind es aktuell vermehrt die in Freiland gehaltenen, die sich infizieren. Das ist logisch, weil im Freiland direkter Kontakt zu Wildvögeln bzw. ihrem infektiösen Kot gegeben ist. Der schützende Stall wird zwecks Auslauf verlassen und dadurch wird ein Zielkonflikt zwischen mehr Tierwohl durch Freiland- oder Mobilstallhaltung auf der einen Seite und höherem Infektionsrisiko mit HPAI auf der anderen Seite direkt deutlich.
„Man kann ihn aber lösen“, so Ripke. Er schlägt der Landesregierung vor, hier in Niedersachsen wie in den Niederlanden unverzüglich eine landesweite Aufstallung für Geflügel anzuordnen und diese aufrechtzuerhalten bis der Seuchendruck wieder abklingt.
„Andernfalls muss mehr Geflügel sterben als notwendig wäre und das ist weder ethisch noch politisch zu verantworten!“, betont Ripke. „Einige Wochen im Stall sitzen zu müssen ist möglicherweise nicht das Tierwohl-Optimum aber lebensrettend.“
Der NGW bietet Ministerin Staudte in diesem Punkt partnerschaftliche Zusammenarbeit und Mitübernahme von Verantwortung an. Dazu gehört beispielsweise die offene Diskussion über die Bedingungen einer Ausnahmeregelung für die jetzt vor Weihnachten ausgewachsenen Gänse. Sie lassen sich aus Tierschutzgründen wegen hoher Aggressivität und gegenseitiger Verletzungsgefahr nicht in enge Gebäude zwängen, die in Gänsebetrieben deshalb in der Regel auch nicht vorhanden sind.
„Bei dem rasanten aktuellen HPAI-Seuchenverlauf darf man nicht bei der einfachen Tagesordnung bleiben. Wir müssen handeln und haben mit dem Aufstallgebot ein nicht hundertprozentiges, aber wirksames Instrument zur Verfügung“, appelliert Ripke an die Ministerin.
Wenn wir, wie die USA in den vergangenen Jahren, nicht aktiv gegensteuern, kann sich ein Schreckensszenario entwickeln. Mehr als 100 Mio. Legehennen mussten getötet werden und es gab folglich im Lebensmittelhandel fast keine Eier mehr. Der Preis für 1 Ei lag zeitweise bei fast 1 Dollar! Wir dürfen nicht vergessen, dass die Geflügelpest am Ende marktrelevant werden und auch die Verbraucher treffen kann“, so Ripke abschließend.