Tierhalter/-innen vor neuen Chancen und Herausforderungen
Rund 2000 Besucher/-innen auf Fachforum Schwein und Geflügelmast – Vorträge regen zu Diskussionen an
Lingen – Lohnen sich höhere Haltungsstufen für Erzeuger? Was bringt die neue TA Luft für meinen Betrieb? Wie entsteht eigentlich der CO2-Fußabdruck von Schweinefleisch? Unter anderem um diese Fragen ging es beim Fachforum Schwein und Geflügelmast der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) am Freitag (16. Mai) in den Emslandhallen in Lingen (Ems). Begleitet von einer Fachausstellung mit ca. 80 Firmen, die Dienstleistungen und Produkte rund um die Schweine- und Geflügelhaltung anbieten, gab es auf dem Fachforum ein umfassendes Vortragsprogramm und eine Podiumsdiskussion zu aktuellen Themen, die Schweine- und Geflügelhalter bewegen. Es kamen rund 2000 Besucher/-innen.
„Wir sind mit der Veranstaltung sehr zufrieden“, sagte Dr. Heiko Janssen, Leiter des Sachgebiets Tierhaltung bei der LWK. „Bei den Vorträgen haben wir gemerkt, dass das Publikum wirklich mit Interesse dabei war. Es wurde mitdiskutiert und es wurden viele Fragen gestellt.“ Zum zweiten Mal fand das Fachforum Schwein und Geflügelmast in Lingen statt – und hat sich dort angesichts des großen Interesses offenbar etabliert. Einer neuen Ausgabe des Fachforums in zwei Jahren stehe demnach nichts entgegen.
Die stellvertretende Kammerpräsidentin Dagmar Heyens begrüßte die Besucher/-innen des Fachforums. Sie sieht die landwirtschaftliche Tierhaltung im gesellschaftlichen Fokus. Viele Landwirtinnen und Landwirte seien auch bereit, mehr für das Tierwohl zu tun, wenn es denn bezahlbar ist. Das Stallsystem der Zukunft müsse mehr Tierwohl, geringere Umwelteinwirkungen und Wirtschaftlichkeit unter einen Hut bringen, zugleich müsse es gesellschaftlich akzeptiert und genehmigungsfähig sein und den Menschen einen guten Arbeitsplatz bieten. Kritisch sieht Heyens die Pläne des Lebensmitteleinzelhandels, künftig verstärkt auf Produkte höherer Haltungsstufen zu setzen. „Zwar geben viele Verbraucher/-innen an, dass sie für mehr Tierwohl auch mehr Geld ausgeben wollen, letztendlich hängt die Entscheidung aber von der privaten Situation ab“, so Heyens.
Nachhaltigkeit und Kreditvergabe
Im ersten Fachvortrag des Tages skizzierte Christopher Braun von der DZ Bank die Entwicklungen rings um die Thematik Sustainable Finance bzw. Nachhaltigkeit aus Sicht einer agraraffinen Bank. Dabei referierte Braun unter anderem über den Green Deal der Europäischen Union sowie die ESG-Kriterien und erklärte, wie sich diese Entwicklungen auf einzelne Agrarbetriebe auswirken können. Im Grunde nutze die Politik die Finanzwirtschaft, um Klimaschutzmaßnahmen zu fördern oder auch Arbeitsstandards zu erhöhen. Dabei betonte Braun, dass eine Umstellung auf ökologische Wirtschaftsweise nicht notwendig sei, um einen Kredit zu bekommen. „Es wird kein Kunde pauschal aus Nachhaltigkeitsgründen ausgeschlossen. Eine ökologische Betriebsform bedeutet nicht pauschal eine vorteilhaftere Nachhaltigkeitsbewertung“, so Braun. Es sei nicht entscheidend, ob konventionell oder ökologisch produziert werde. Wichtig sei, dass das Geschäftsmodell nachhaltig, also langfristig wirtschaftlich tragfähig ist. Die CO2-Bilanzierung rücke vermehrt in den Fokus. Die Rentenbank werde dazu zwei Programme auflegen: Eine Förderung einer CO2-Bilanzierung und ein Programm mit Boni für Betriebe, die eine CO2-Bilanz vorweisen können.
CO2-Fußabdruck von Schweinefleisch
Wie entsteht der CO2-Fußabdruck eines Produkts? Darüber sprach Caroline Labonte von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. „Der CO2-Fußabdruck entsteht entlang der gesamten Prozesskette“, erklärte Labonte. Das bedeutet auch: Emissionen werden entlang der gesamten Kette weitergegeben. Rund 80 Prozent des CO2-Fußabdrucks kämen aus dem vorgelagerten Bereich in den Betrieb, etwa durch den Kauf von Futter und Ferkeln. Der einzelne landwirtschaftliche Betrieb könne also nur etwa 20 Prozent des CO2-Fußabdrucks selbst und die 80 Prozent durch die eingesetzten Mengen nur indirekt beeinflussen. Labonte schlussfolgert daher: „Die ganze Prozesskette muss angefasst werden. Nachhaltigkeit ist eine Gemeinschaftsaufgabe für Landwirtinnen und Landwirte, Futterwirtschaft, Technik und Beratung.“
Schlupf im Stall
Mit den Vorteilen und den Herausforderungen von Schlupf im Stall befasste sich Niels Luther-Köhne von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in seinem Vortrag „Plötzlich Eier im Stall – Wenn der Mäster zum Brütereiexperten wird“. Das Schlupf-im-Stall-Verfahren kann betriebsspezifisch einige Vorteile im Bereich Tierwohl und Wirtschaftlichkeit, wie etwa eine höhere Anfangsentwicklung der Küken und das Verbringen von Bruteiern in Restriktionsgebiete im Seuchenfall mit sich bringen, erfordere aber auch engmaschige Kontrollen und eine sachkundige Betreuung. In dem Verfahren werden Bruteier ab dem 18. Bebrütungstag direkt in den Maststall gebracht. Dort schlüpfen die Küken im Zeitfenster des 21. Tages. So würden die Küken direkt an das Habitat geprägt, erhielten sofort Zugang zu Futter und Wasser und haben keinen Transportstress, was Tierwohl und Gesundheit verbessere. Unerlässlich seien sorgfältige Stallvorbereitungen, sowie stabile Umweltbedingungen.
Chancen und Risiken höherer Haltungsstufen
„Höhere Haltungsstufen in der Geflügelhaltung – Chance oder Risiko?“ lautete der Titel des Vortrags von LWK-Unternehmensberater Uwe Bintz. Unterschiede zwischen Haltungsform 2 und 3 bestünden in der Besatzdichte, der Ausstattung der Ställe mit einem Wintergarten, geringeren Produktionsleistungen, höherer Futterverwertung, geringeren täglichen Zunahmen, längerer Mastdauer und geringerer Umtriebe. Um die Mehrkosten von HF3 gegenüber HF2 zu decken, seien Mehrerlöse von 35 bis 55 Cent pro Kilogramm notwendig. Laut Bintz werden diese von den Marktpartnern derzeit auch gezahlt, sodass keine erheblichen wirtschaftlichen Nachteile auftreten. Dazu sei das Mästen in HF3 entspannter, da der Krankheitsdruck geringer sei und wegen der längeren Mastdauer Ausstallungen reduziert würden. Dagegen seien die Energiekosten höher. Lege sich der Landwirt mit dem Bau eines HF3-Stalls auf diese Haltungsform fest, trage er das wirtschaftliche Risiko, da es langfristige Verträge zur Absicherung der Investition noch nicht gebe. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg dürfte Bintz zufolge daher die Nachfrage der Verbraucher nach HF3 sein.
Um- und Neubau im Deckzentrum
Um praktische Tipps für Um- und Neubauplanungen im Deckzentrum ging es im Vortrag von Gerd Hermeling (LWK). Er skizzierte die wichtigsten gesetzlichen Regelungen, die zwingend einzuhalten sind – beispielsweise Rückzugsmöglichkeiten für Tiere und die einzuhaltende Besatzdichte. Unbedingt berücksichtigt werden sollten bei Umbauten die betrieblichen Abläufe. Schlachtsauen und gruppenuntaugliche Tiere benötigten mehr Platz, Umrauscher verursachten einen erhöhten Arbeitsaufwand. Zudem könne das Stallklima bei Umbauten negativ beeinflusst werden. Wer einen Um- oder Neubau plant, müsse laut Hermeling bis spätestens 9. Februar 2026 einen Bauantrag einreichen. Für die Genehmigung und Planung sollten die Betriebe auch die Förderkriterien vom BLE, Umbau Tierhaltung, prüfen und ggf. diese Mittel nutzen. Wer im Februar 2024 bereits eine Aufgabeerklärung abgegeben hat, dürfe ab dem 9. Februar 2026 keine Sauen mehr belegen und müsse daraufhin die Sauenhaltung einstellen. Bis zum 9. Februar 2029 müssen die Um- und Neubauten für das Deckzentrum abgeschlossen sein.
Bewegung in der Bucht
Einblicke in seinen Stall gab Michael Ostkotte aus Ochtrup. Der Sauenhalter hat vor ca. vier Jahren einen neuen Abferkelstall komplett mit Bewegungsbuchten gebaut. Die von ihm verwendete Bucht erfüllt alle Vorgaben in Sachen Platzangebot. Er sieht in dem System zahlreiche Vorteile: Dank niedriger Buchtentrennwände sei der Stall viel übersichtlicher. Zudem könnten die Sauen untereinander mit ihren Nachbarinnen in Interaktion treten. Das wirke sich positiv auf die Gruppendynamik aus. In einem speziellen Ferkelnest mit Fallriegel und Hartglasabdeckung findet der Nachwuchs eine Wärmequelle, während es draußen für die Sauen angenehm kühl bleibt. In dem Nest ließen sich die Ferkel zudem gut für Behandlungen zusammentreiben. Die Angst vor hohen Erdrückungsverlusten habe sich nicht bestätigt: Bei geöffnetem Ferkelschutzkorb finden die Ferkel rundherum Fluchträume, wenn die Sau sich ablegt. Der Arbeitsaufwand pro Sau und Jahr sei auf unter zehn Stunden gesunken, die Sauen fressen mehr, geben mehr Milch und seien fitter, die Tierarztkosten seien gesunken.
Steigende Fleischpreise aber große Herausforderungen
„Haltungsstufen und Co. – Wie steht‘s mit der Wettbewerbsfähigkeit der Schweine- und Geflügelhaltung?“ lautete der Titel des Vortrags des LWK-Marktexperten Albert Hortmann-Scholten. Demnach habe sich die Situation an den Fleischmärkten im Laufe des Jahres 2025 auch aufgrund des schnell überwundenen MKS-Ausbruches deutlich verbessert. Dies führe momentan zu einer Entspannung vor allem auf dem Schlachtschweine- und Ferkelmarkt. Bedingt u.a. durch die in den USA grassierende Geflügelpest befinde sich der Markt für Schaleneier in einer sehr festen Verfassung. Ebenfalls notierten die Erzeugerpreise am europäischen Weißfleischmarkt über dem Vorjahresniveau. Aufgrund einer steigenden Nachfrage bei einem in Deutschland begrenzt ausfallenden Angebotes könnten die Preise für Puten- und Hähnchenfleisch weiter steigen.
Dennoch stünden die deutschen Landwirte, getrieben durch Marktimpulse des hiesigen Lebensmitteleinzelhandels (LEH) und des Gesetzgebers, bezüglich der betrieblichen Ausrichtung der künftigen Nutztierhaltung vor gravierenden Herausforderungen. Ausgangspunkt dieser Entwicklung sei das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, welches trotz heftiger Kritik von der neuen Bundesregierung weiterentwickelt werden dürfte. Die wichtigsten Fragen aus der betriebswirtschaftlichen Praxis lauteten daher in welcher Haltungsform zukünftig produziert werden soll, wie groß die aktuellen und die zukünftigen Marktsegmente in den einzelnen Haltungsformen 1 bis 5 und sind und welche Chancen und Risiken aus Erzeugersicht mit den unterschiedlichen Produktionssystemen verbunden sind.
Vorgaben der neuen TA-Luft
Über Inhalte und Auswirkungen der 2021 in Kraft getretenen Technischen Anleitung (TA) Luft sprach LWK-Imissionsfachmann Friedrich Arends. Besonders die Tierhaltung sei betroffen. Die neue TA Luft setze mit ihren Anforderungen bei der Verringerung von Ammoniakemissionen an. Seit Inkrafttreten der neuen TA Luft müsse in genehmigungsbedürftigen Schweine- und Geflügelhaltungen bereits stickstoff- und phosphorreduziert gefüttert werden. Bis Ende November 2026 komme auf große Haltungen mit zwangsbelüfteten Ställen unter Umständen die Nachrüstung einer Abluftreinigungsanlage hinzu. Bei vielen Ställen dürfte der Aufwand für die Nachrüstung aber als unverhältnismäßig eingestuft werden. Mit anderen Emissionsminderungstechniken (z. B. Güllekühlung, Kotbänder, Gülleansäuerung im Stall) gebe es bislang weder Erfahrungen noch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Möglicherweise, so Arends, gelinge die Entwicklung alternativer emissionsmindernder Verfahren wie etwa mit Improbed © (natriumhydrogensulfathaltige Einstreupellets) in der Geflügelhaltung. Tierhalter/-innen hätten zudem die Option auf qualitätsgeprüfte und nachweislich dem Tierwohl dienende Haltungsverfahren umzustellen.
Diskussion zum Abschluss
Den Abschluss des Programms bildete die Podiumsdiskussion zum Thema „Geflügelmast in Haltungsform 3 – Der neue (Tierwohl-)Standard?“. An der Diskussion nahmen Friedrich-Otto Ripke (Vorsitzender Niedersächsische Geflügelwirtschaft), Henrik Wiedenroth (Consultant bei LIDL Deutschland), Felix Wesjohann (Vorstand PHW-Gruppe) und Hähnchenmäster Thomas Korte teil. Einig waren sich alle Diskussionsteilnehmer, dass die höheren Haltungsstufen ihre Berechtigung und auch eine Zukunft haben, die Produktions- und Vermarktungsseite forderte vom Lebensmitteleinzelhandel aber auch verbindliche Zusagen bei der Preisgestaltung und der Mengenabnahme. Die Produkte müssten dauerhaft im Markt untergebracht werden, damit die Schaffung entsprechender Produktionskapazitäten auch wirtschaftlich sei. Ein weiterer Diskussionspunkt ist der Konflikt zwischen dem Ziel der Biosicherheit und Haltungskonzepten, die Außenklima, Ausläufe oder Freiland vorsehen. Gleichzeitig waren sich alle Beteiligten einig, dass es weiterhin einen Markt für Fleisch aus den Haltungsformen 1 und 2 geben werde.
Foto:
„Schlupf im Stall“ war eines der Themen am Stand der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Außerdem gab es einen Vortrag zum Thema. Bild: Christopher Hanraets / LWK Niedersachsen
Quelle Pressemitteilung:
Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Christopher Hanraets, Pressereferent, 21.05.2025